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Tieftemperatur-Tests

1. Problemstellung

Die elektronischen Bauelemente, die bei den Standard-Ausführungen von SOCLAIR-Messumformern eingesetzt werden, haben sehr unterschiedlich spezifizierte Temperaturbereiche. Die meisten passiven Elemente sind für den Betrieb zwischen -55°C und +125°C zugelassen (MIL-Temperaturbereich). Bei einigen aktiven Elementen (insbesondere Operationsverstärkern) ist der Temperaturbereich mit -40/+85°C oder mit 0/70°C spezifiziert. MIL-Bauelemente sind oft schwer zu beschaffen, recht teuer und nicht in allen Gehäuseformen erhältlich. Aus diesen Gründen verwenden wir in der Regel bei den meisten integrierten Schaltkreisen keine MIL-Bauelemente. Dies bedeuted allerdings nicht, dass die Messumformer sich nicht auch für den Einsatz bei sehr tiefen Temperaturen eignen. Wie die nachfolgend beschriebenen Tests zeigen, funktionieren solche Schaltkreise z.T. selbst bei -130°C noch völlig einwandfrei! Ein mögliches Problem ist aber die erhöhte Ausfallsrate: Wird die Elektronik sehr oft tiefen Temperaturen ausgesetzt oder, noch schlimmer, finden häufig grosse und schnelle Temperatursprünge statt, kann die Ausfallsrate stark ansteigen. Um das Verhalten von SOCLAIR-Messumformern bei sehr tiefen Temperaturen abzuklären, haben wir mit einigen typischen Modulen verschiedene Versuche durchgeführt.

2. Versuchsaufbau

Für die Temperaturtests bis -40°C wurde ein kommerzieller Klimaschrank benutzt. Um die Module auf noch tiefere Temperaturen abzukühlen, haben wir einen Kryostaten gebaut, der mit flüssigem Stickstoff gekühlt wird. Die Temperatur wird mittels zweier Pt-100-Fühler gemessen. Der eine Fühler (Folienfühler) ist in gutem Wärmekontakt zu den Modulen, der andere misst die Innentemperatur des Kryostaten. Als Messdatenerfassungssystem benutzten wir eine SOCLAIR-PCMS1-Steckkarte, die in einem Laptop montiert wurde (16 Kanäle à 16 bit). Dieses System wurde für zwei Pt-100-Fühler (Temperatur der Module/Kryostat) und für die Ausgangsspannungen der Module konfiguriert. Damit konnten alle Messdaten mit hoher Genauigkeit gemessen und protokolliert werden. Bei der ersten Versuchsreihe testeten wir drei verschiedene Module für Pt-100-Fühler:

  1. RTM 90-C-P, programmiert für einen Bereich von 0-100°C = 0-10 V. Dieses relativ komplexe Modul besteht aus ca. 120 Bauelementen, darunter verschiedene Operationsverstärker (SMD und DIL) sowie einem CMOS DC-DC-Wandler.
  2. RTM 70-D, Festbereichmodul, -30/70°C = 0-10 V. Dies ist ein relativ einfaches low-cost Modul mit nur zwei Operationsverstärkern.
  3. RTM 70-D, Festbereichmodul, 0/100°C = 0-10 V.

Es wurde bewusst ein relativ kleiner Temperturbereich (100°C) gewählt, das Ausgangssignal reagiert bei solch kleinen Bereichen besonders empfindlich auf Drifts.

Die Fühler für die drei Module wurden durch Präzisionswiderstände, die sich ausserhalb des Kryostaten befanden, realisiert. Sie simulieren verschiedene Temperaturen innerhalb des jeweiligen Messbereiches der Module. Diese Widerstände wurden in 4-Leiter-Technik angeschlossen.

3. Messungen

Die Module wurden 9 Tage lang Temperaturen von bis zu -130°C ausgesetzt und gründlich ausgemessen. Die untenstehende Tabelle zeigt einen kleinen Auschnitt aus den vielen Messdaten.

Time T1(°C) T2(°C) RTM90 RTM70-1 RTM70-2 TCM90 TCM70-1 TCM70-2
17:46:03 -69.4 -67.6 6.65225 4.73563 1.53088 -101 -59 66
17:46:11 -71.4 -68.8 6.66338 4.73675 1.52925 -113 -60 67
17:46:19 -73.4 -70.3 6.66625 4.73638 1.52750 -114 -58 68
17:46:27 -74.6 -71.4 6.66725 4.73550 1.52650 -114 -57 68
17:46:35 -75.0 -72.1 6.66775 4.73500 1.52675 -113 -56 67
17:46:43 -75.2 -72.6 6.66825 4.73463 1.52713 -113 -55 66
17:46:51 -75.3 -73.0 6.66800 4.73425 1.52750 -112 -54 66
17:46:59 -75.2 -73.2 6.66750 4.73413 1.52775 -112 -54 65
17:47:07 -75.0 -73.3 6.66650 4.73400 1.52788 -110 -54 65
17:47:15 -74.7 -73.2 6.68188 4.73425 1.52838 -128 -54 65
17:47:23 -77.6 -76.5 6.69513 4.73150 1.52250 -137 -49 69
17:47:31 -78.8 -77.7 6.70113 4.72888 1.52125 -142 -46 69
17:47:39 -79.6 -78.5 6.70650 4.72825 1.52113 -147 -45 69
17:47:45 -80.0 -79.0 6.71113 4.72850 1.52075 -151 -45 69

T1 und T2 sind die Innentemperatur des Kryostaten bzw. die Modultemperatur. Diese beiden Temperaturen können um einige Grade voneinander abweichen (Wärmeträgheit bei Temperaturwechsel, Eigenerwärmung der Module). Die Kolonnen "RTM90", "RTM70-1" und "RTM70-2" enthalten die Ausgangsspannungen der drei Module in Volt. Die Kolonnen "TC90", TC70-1" und "TC70-2" zeigen die berechneten Temperaturkoeffizienten in ppm/K bezogen auf eine Ausgangstemperatur von 16°C und FS(10 V). Um den Fehler des Ausgangswertes in Volt zu berechnen, multipliziert man die Temperaturdifferenz (ausgehend von 16°C) mit dem Temperaturkoeffizienten in ppm/K und teilt das Resultat durch 100'000.

Temperaturdrifts gemäss Spezifikationen

Bei einem RTM90C ist bei einem Messbereich von 100°C ein Fehler von total ca. 200 ppm/K spezifiziert (70 ppm/K Gaindrift, 130 ppm/K Offsetdrift).

Bei einem RTM70D-Modul ist bei einem Messbereich von 100°C ein Fehler von total ca. 450 ppm/K spezifiziert (150 ppm/K Gaindrift, 300 ppm/K Offsetdrift).

Diese Spezifikationen sind garantierte Maximalwerte, die typischen (gemessenen) Werte sind meist nur ein Bruchteil dieser worst-case Werte.

4. Zusammenfassung der Resultate

  1. RTM 90-C
    Bis -30°C betrug der Temperaturkoeffizient ca. 30 ppm/K, darunter wurde er ständig grösser, bei -80°C stieg er auf ca. 150 ppm/K, unter -90°C brach die Ausgangsspannung zusammen. Sobald die Temperatur wieder -90°C erreichte, sprang die Ausgangsspannung auf den Sollwert. Dieser Vorgang konnte mehrmals wiederholt werden, das Modul wurde dabei bis auf ca. -130°C abgekühlt.
  2. RTM 70-D
    Bis ca. -60°C betrug der Temperaturkoeffizient bei einem Modul ca. 50 ppm/K und beim anderen ca. 100 ppm/K. Bei -110°C stieg er bei einem Modul auf ca. 150 ppm/K, bei -130°C betrug er 130 ppm/K bzw. 210 ppm/K. Dies ist noch weit innerhalb der Spezifikationen (450 ppm/K). Diese Module funktionieren somit selbst bei -130°C noch völlig einwandfrei.

Die Module wurden während den Messungen vielen Temperaturwechseln ausgesetzt (zwischen -130°C und Zimmertemperatur). Die Messdaten waren immer sehr gut reproduzierbar, eine abnormale Langzeitdrift konnte in keinem Fall festgestellt werden.

Wir erwarten ein sehr ähnliches Verhalten bei allen anderen SOCLAIR-Messumformern.

Beim Aufwärmen der Module können unter Umständen Fehlmessungen auftreten: Ist die Modultemperatur noch unter Null, die Luft aber bereits über Null, so kann Luftfeuchtigkeit auskondensieren. Dieser leitfähige Feuchtigkeitsfilm führt für eine begrenzte Zeit zu mehr oder weniger grossen Fehlern.
Abhilfe: Module so "verpacken", dass keine tauende Nässe entstehen kann. Ist dies nicht möglich, empfehlen wir die Module im Werk mit einem Schutzlack überziehen zu lassen (bei Bestellung anzugeben).