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EMV-Tests mittels Hochspannungs-Funkenstrecken

In Industrieumgebungen stellen Funkenstrecken in vielen Fällen die häufigsten, härtesten und breitbandigsten Störquellen dar. Es ist deshalb naheliegend, zusätzlich zu den üblichen Standard-Testmethoden (z. B. IEC/EN 61000-4) eine Funkenstrecke als EMV-Test zu benutzen. Die Störimpulse gemäss IEC/EN 61000-4-4 simulieren zwar einigermassen das Störspektrum leitungsgebundener Störungen einer Funkenstrecke. Die Felder gemäss IEC/EN 61000-4-3 (10 V/m, CW) haben aber keine Ähnlichkeit mit Funkenstreckenstörungen.

Funkenstrecken entstehen vor allem bei Schalthandlungen (z. B. Relais, Schalter) und bei Elektromotoren (Kollektor), aber auch bei elektrostatischen und atmosphärischen Entladungen, Zündanlagen (Verbrennungsmotoren), Schweissgeräten, usw. Die dadurch verursachten Störungen sind äusserst breitbandig (bis über 1 GHz) und können sowohl leitungsgebunden als auch feldgebunden auftreten. Für einen Durchschlag bei atmosphärischen Verhältnissen benötigt man eine Feldstärke von ca. 3 Millionen V/m. In unmittelbarer Umgebung einer Funkenstrecke findet man demzufolge Feldstärken von mehreren hunderttausend V/m.

Tests an einem Messumformer

Der Prüfling ist ein serienmässiger Pt-100-Messumformer vom Typ RTM 70-C, mit einem Messbereich von 0-100°C = 0-10 V. Der 0-10 V-Ausgang des Moduls ist mit einer Siebensegment-Anzeige verbunden, sie zeigt die Umgebungstemperatur (gemessen mittels des Pt-100-Fühlers) in °C (Auflösung 1/10°C) an. Die Hochspannungsüberschläge finden in die Sensorleitung statt, das Modul ist dabei in seinem normalen Betriebszustand. Die Frequenz der Überschläge wurden bei den Tests zwischen 1 und 100 Hz variiert. Eine Änderung der Anzeige (1/10°C Auflösung) konnte bei keinem Test festgestellt werden. Es ist zu beachten, dass der gesamte Funkenstrom (mit Frequenzanteilen bis ca. 1 GHz) durch das Modul fliessen muss, bevor er durch das Erdungskabel zurück in den Hochspannungsgenerator geleitet wird.

Bei einem solchen Test spielen verschiedene Störmechanismen eine Rolle:

Feldgebundene Störungen: Die Funkenstrecke ist ca. 1 cm lang, Abstand zum Modul ca. 5 cm. Beim Messumformer dürfte die Feldstärke mehrere Zehntausend bis mehrere Hunderttausend V/m erreichen. Trotzdem der Messumformer nicht abgeschirmt ist (Kunststoffgehäuse), zeigt sich keine messbare Störung. Man beachte, dass sich die Signalpegel im mV-Bereich bewegen.

Leitungsgebundene Störungen: Der Pt-100-Fühler ist in Zweileitertechnik mit dem Messumformer verbunden. Die Plus-Leitung führt den Messstrom durch den Fühler (ca. 1 mA), gleichzeitig wird der Spannungsabfall beim Modul gemessen. Die Minusleitung führt den Messstrom zurück und dient als Nullpunkt für die Spannungsmessung. Diese Leitung ist mit dem Analog-Ground des Moduls verbunden. Der Funkenüberschlag findet in die Minus-Leitung statt. Auf der benachbarten Plus-Leitung werden hohe Störspannungen eingekoppelt (direkt galvanisch und über die elektromagnetischen Felder), die aber von den Eingangsüberspannungsableitern und den verschiedenen Filterstufen vollständig eliminiert werden. Mit Sicherheit entstehen auch auf der Ausgangsleitung und dem Speisungsanschluss grössere Störspannungen, die aber auf das Signal auch keinen Einfluss haben. Die Anzeige (auch von SOCLAIR ELECTRONIC) besitzt am Signal-Eingang und bei der Speisung Überspannungsableiter und verschiedene Filter, sie ist ebenfalls völlig immun gegenüber Störspannungen. Man beachte, dass alle Leitungen keine Abschirmung aufweisen. Sehr bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass der gesamte HF-Funkenstrom durch das Ground-System des Modul fliesst, ohne irgendwelche Störungen zu verursachen.

Bei einem Überschlag in den Plus-Eingang der Signalleitung muss sich natürlich ein Effekt zeigen: Beim Überschlag wird wegen der direkten galvanischen Kopplung ein nicht DC-freies Störsignal dem Messignal überlagert, die Filter können den DC-Anteil der Störung nicht eliminieren. Entscheidend bei dieser Einkopplungsart ist aber, dass die Überspannungsableiter und die Filter das Modul vor der Hochspannung (ca. 30'000 Volt) schützen.

Was kostet ein guter EMV-Schutz?

Es versteht sich von selbst, dass eine solche ausserordentlich hohe Störsicherheit nicht einfach zu erreichen ist. Ensprechendes know-how vorausgesetzt, verteuert sich aber das Produkt kaum: Den grössten Einfluss hat das Layout (die Geometrie der Schaltung, insbesondere der Erdung), das Erdungskonzept, die Schaltungstechnik und die Wahl EMV-fester Bauelemente. Die zusätzlichen Schaltelemente (Überspannungsableiter, Filter) machen, optimales Design vorausgesetzt, nicht mehr als einige Prozent des Gesamtpreises aus, die restlichen Massnahmen sind praktisch ohne dirkete Kostenfolge. Bei einem optimalen Messumformer-Design erübrigen sich hingegen Metallgehäuse, abgeschirmte Kabel und andere kostspielige Abschirmungsmassnahmen.